Ein uralter Mythos und doch von spürbarer Aktualität: Medea, aus der Peripherie der bekannten Welt stammend und sichtlich eine Fremde im zivilisierten Land, stört Ruhe und Ordnung, wird zum hasserfüllten, Tod und Zerstörung bringenden Racheengel. Seit den antiken Tragödiendichtern ist der Stoff um Medea, Jason und das Goldene Vlies vielfach auf die Theater- und Opernbühne gekommen, so auch um 1800 in Paris.
Der gebürtige Florentiner Luigi Cherubini war in den 1780er Jahren in die französische Metropole gekommen, um dort als Opernkomponist zu reüssieren. Mit seiner »Medée« von 1797 gelang ihm ein respektabler Erfolg, der über das folgende Jahrhundert anhalten sollte. Durch die dramatisch intensivierte gesangliche wie darstellerische Leistung von Maria Callas erfuhr das Werk in den 1950er Jahren neue Aufmerksamkeit. Inspiriert von den tragischen Antikenopern Glucks schuf der Wahlpariser Cherubini, der sich zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Musik seiner Zeit entwickelte, ein Werk von tiefgründigem Ernst und einer monumentalen, eindrucksvollen Tonsprache, mit großen Szenen für die Protagonistin, kompositorisch hervorragend gearbeiteten Chor- und Ensemblesätzen sowie atmosphärisch dichten Instrumentaleinleitungen zu jedem der drei Akte. Die Titelheldin Medea aber ist und bleibt im Zentrum – wenn sie einmal die Bühne betreten hat, zieht sie Alle und Alles unweigerlich in ihren Bann.